Was ist ein Rallye?

Artikel von Daniel Sieber (1996)

Was ist ein Rallye ?
Allgemeines Sonderprüfungen
Überführungen

Roadbook und Aufschrieb

Rallye-Auto
Gruppe N und A, sowie Kit-Cars
Aufbau eines Rallye-Autos
Motorenpräparation

Schweizer Rallyemeisterschaft (SRM)
Wo finden die Rallyes statt?
Modus SM-Punkte
1600ccm-Pokal


Rallyes
sind Autorennen über eine längere Distanz, die auf normalen Asphaltstrassen oder auch auf unbefestigten Schotterwegen abgehalten werden. Die Gesamtstrecke ist aufgeteilt in eine Anzahl von Teilstücken, verschiedene Sonderprüfungen und Überführungen. Eine Rallye-Equipe besteht aus einem Fahrer und einem Beifahrer. Von Fahrzeug zu Fahrzeug wird im Minutenabstand gestartet.

"Sonderprüfungen" (SP) sind die eigentlichen Rennstrecken. Sie sind abgesperrt und werden voll auf Zeit gefahren. Auf den Sonderprüfungen müssen Helm, feuerfeste Overalls, Handschuhe etc. getragen werden.

Zwischen zwei SP liegt eine "Überführung", die im öffentlichen Verkehr über nicht abgesperrte Strassen führt und ohne Helm etc. gefahren wird. Eine Überführung ist nicht gezeitet, muss aber in einer vorgegebenen, grosszügig festgelegten Zeit (Durchschnittstempo wäre ca. 40 km/h) absolviert werden.


Roadbook und Aufschrieb

Im "Roadbook", das den startenden Equipen ca. 2 - 3 Wochen vor dem Rallye abgegeben wird, ist die gesamte Strecke inklusive der Aufteilung Sonderprüfung Überführung ersichtlich. Im Roadbook sind aber nur die wichtigsten Streckenmerkmale (Verzweigugen, Start/Ziel einer SP etc.) symbolhaft dargestellt. Deshalb wird das Roadbook während dem Rallye nur gerade für die Überführungen verwendet. Für die Sonderprüfungen bedarf es eines viel genaueren Hilfsmittels, um im Renntempo fahren zu können. Dazu durchfahren die Equipen bereits vor dem Rallyewochenende sämtliche Sonderprüfungsstrecken mit einem PW mehrere Male und erstellen dabei eigene Notizen zur Strecke.

Ausschnitt aus einem Roadbook

Der sogenannte "Aufschrieb" ist von Fahrer zu Fahrer etwas anders, beinhaltet aber in jedem Fall sehr detaillierte Angaben über den Streckenverlauf der Sonderprüfungen. Je besser die Besichtigung gemacht wurde und folglich je besser der Aufschrieb ist, desto schneller und sicherer kann dann am Rallye gefahren werden.

Der Aufschrieb wir von unten nach oben gelesen

Auf einer SP am Rallye liest dann nämlich der Beifahrer dem Fahrer den Aufschrieb über eine im Helm eingebaute Gegensprechanlage vor. So ist der Fahrer auf einer Sonderprüfung laufend über die nächsten Kurven, Distanzen etc. informiert und kann ans fahrerische Limit gehen. Für die Überführungen, die ja nicht im Renntempo gefahren werden, wird dann wieder das Roadbook verwendet.

Auf diesen Überführungen können durch Mechaniker und Helfer des Fahrers (sog. "Service" oder "Assistenz") Räder gewechselt, Benzin nachgetankt und Reparaturen durchgeführt werden.


Rallye Autos

Rallye Autos hatten immer schon eine starke Verbindung zu Serienautos. Seit 1987 sind international 2 verschiedene WagenKategorien für Rallyes zugelassen: Gruppe N und Gruppe A. Bei beiden Gruppen handelt es sich um Autos, die in grosser Serie hergestellt wurden (2500 Stk. in 12 Monaten) und serienmässig mindestens als echte 4-Plätzer gelten.

Bei Gruppe N Autos (="Serienwagen") darf ausser den Sicherheitsvorrichtungen (Überrollbügel, Rennsitze, Hosenträgergurten etc), Nachschweissarbeiten an Karrosserienähten und einigen Optimierungen an Bremsen, Fahrwerk, Auspuff und Motor, sowie der Verwendung von Rennreifen, nichts abgeändert oder ausgebaut werden! Beispielsweise müssen in der Gruppe N die Rücksitzbank und Hutablage vorhanden oder auch serienmässige elektrische Fensterheber oder Heckscheibenwischer etc. weiterhin funktionstüchtig sein.

Gruppe A Autos (="Tourenwagen") sind reglementsmässig freier. Neben wesentlichen Modifikationen an Motor, Getriebe, Bremsen, Räder und Fahrwerk darf das Auto auch "ausgeräumt" werden, um das Gewicht möglichst tief zu halten. An der Karrosserieform darf allerdings genau wie bei Gruppe N Autos nichts verändert werden. "Kit-Cars" sind zweiradgetriebene Gr-A-Autos bis 2000 Liter Hubraum, welche aber mit extrem hochentwickelten Spezialteilen versehen sind. Zudem sind diese Kit-Cars, bekannt sind vor allem der Renault Clio Maxi und der Peugeot 306 Maxi, auch leicht verbreitert, was bei deren Anblick schon fast wieder an die ehemaligen Gruppe-B-Boliden erinnert. Der Preis für Kit-Cars ist derart hoch (ca. ab 300'000.--), dass diese fast nur von Werkteams eingesetzt werden können.

Als Basis für Top Rallye Autos, egal ob Gruppe N oder A, werden heute bei internationalen Meisterschaften noch allradgetriebene Fahrzeuge mit serienmässig bereits um 200 PS starkem Turbomotor ausgewählt. In der Gruppe A Version bringen solche Boliden dann locker gegen 400 PS auf die Strasse. In der Schweizermeisterschaft - insbesondere aus Reglementsgründen - sind aber hauptsächlich zweiradgetriebene 2 Liter Autos mit guten Chancen auf vorderste Plätze im Einsatz. - (Achtung: Stand 1996; seither fanden einige Reglementsänderungen statt!)

Aufbau eines Rallye-Autos

Ein Rallye-Auto der Topklasse, egal ob Gruppe N oder Gruppe A, stammt nicht aus dem Schaufenster eines Händlers. Vielmehr wird beim Hersteller eine möglichst leichte Rohkarrosserie (= der unlackierte Rumpf des Autos ohne Fenster, Innenausstattung, Elektrik und Mechanik) erstanden. Diese Rohkarrosserie wird von Spezialisten in etwa 100 Arbeitsstunden an kritischen Stellen verstärkt (nachgeschweisst) und eine "Zelle" (= umfangreicher Überrollkäfig) eingeschweisst.

Die stabile Rohrstruktur einer "Zelle"
Die Rohkarrosserie wird lackiert und danach Fenster, der präparierte Motor, das Fahrwerk, Elektrik und Innenausstattung Stück um Stück von Hand eingebaut. Ein so neu aufgebautes Rallye-Auto kommt in der Gruppe N-Version gut und gerne auf den doppelten Katalogpreis, in der Gruppe A-Version (mit vielen teuren Spezialteilen) auf den drei- bis fünffachen Betrag des Serienproduktes.

Gutes Tuning beginnt immer bei der Ausnutzung der vom Hersteller angegebenen Toleranzen. So wird z.B. auch ein Kolben um Bruchteile eines Millimeters nachbearbeitet.

Chip-Tuning: Die Elektronik des präparierten Motors wird auf dem Prüfstand den Anforderungen des Rennsports angepasst. Dieser Prüfstand gleicht eher einem Labor als einer Werkstatt. Die optimale Motorenpräparation für Gruppe N-Autos umfasst eine komplette Demontage des Triebwerkes, wobei die Serienteile innerhalb der vom Hersteller angegebenen Toleranzen nachbearbeitet (erleichtert, feingewuchtet, poliert etc.) werden. Zudem wird das elektronische Motorenmanagement vom serienmässigen Kompromiss aus Benzinverbrauch, Alltagstauglichkeit und Drehmoment/Leistung auf maximale Leistungs-/Drehmomentsabgabe umprogrammiert. Obwohl der Motor eigentlich noch hundertprozentig "serienmässig" ist, kann so bei Saug-Motoren eine Leistungssteigerung von 10-15% erreicht werden, bei Turbo-Motoren liegt das Potential noch höher.


Schweizer Rallyemeisterschaft (SRM)

Neben der Rallye WM und der Rallye EM werden in fast allen europäischen Staaten Landesmeisterschaften ausgetragen, auch in der Schweiz. Im Gegensatz zu Rundstreckenrennen finden die Läufe zur Schweizer Rallyemeisterschaft vielfach auf Schweizer Boden statt. Die Rallye Regionen sind im Welschland und im nahen Ausland. Rallyes haben in diesen Gegenden vielfach eine alte Tradition und deshalb einen entsprechenden Bekanntheitsgrad. In der SRM finden die Rallyes hauptsächlich auf asphaltierten Strecken statt. Auch die Länge der Schweizer Rallyes ist recht unterschiedlich. Das SRM-Programm umfasst ein Spektrum von dreitägigen Veranstaltungen mit einer Gesamtlänge von fast 800 km bis hin zu solchen mit einer Dauer von einem knappen Tag und gut 100 km Gesamtdistanz.

Trotzdem sei hier versucht, ein 'normales', für die Schweizer Rallyemeisterschaft typisches Rallye zu beschreiben: Ein solches Rallye beginnt vielfach mit einer ersten Etappe am Freitagnachmittag. Am Freitagabend werden die Autos dann in einer neutralisierten Zone ("Parc fermé") eingestellt. Am Samstag findet dann eine zweite, ganztägige Etappe statt. Der Grossteil der Sonderprüfungen werden in der Schweiz auf Asphalt gefahren. Wo ungefähr die Schweizer Rallye-Regionen (mit Start/Ziel Orten) liegen, ist auf der Karte ersichtlich. (Karte: Stand 1999)

Modus / SM-Punkte

Die Schweizer Rallyemeisterschaft setzt sich aus 7 - 10 Veranstaltungen zusammen (1996 sind es 8 Veranstaltungen). Ab 1996 werden neu in der SRM für die Vergabe von SM-Punkten nur Autos bis 2 Liter Hubraum ohne Turbo und ohne Allradantrieb und auch keine Kit-Cars gewertet. Ein Lancia Integrale Evo oder Ford Escort Cosworth kann zwar am Start teilnehmen und bspw. das Rallye gewinnen, aber für die SM-Punkte wird er ignoriert. Dasselbe wie für die potenten 4-WD-Boliden gilt für die mindestens so exquisiten Kit-Cars. Mit diesem Modus wird eine Kostensenkung bei den Teams und eine Erweiterung der Meisterschafts-Kandidaten angestrebt, so dass die SRM noch mehr an Spannung gewinnt.

Pro Rallye werden zwar neben dem Gesamtklassement ("Scratch") verschiedene Ranglisten nach Gruppen und auch nach Hubraumklassen der Autos erstellt, für die Verteilung von Meisterschafts-Punkten zählen aber nur folgende 3 Klassemente (und dabei nur 2-Liter-Autos):

* Gesamtklassement / Scratch
Für die ersten 15 Plätze werden Punkte verteilt: Sieger=25 Punkte, 2. Rang=20 , 3. Rang=17 , 4. Rang=14 , 5. Rang=12 , 6. Rang=10 , 7. Rang=9 , 8. Rang=8, etc. bis 15. Rang=1

* Gruppe-A-Klassement
Für die ersten 10 Plätze werden Punkte verteilt: Gr.-A-Sieger= 10, 2. Rang=9 , etc. bis 10. Rang=1

* Gruppe N-Klassement
Für die ersten 10 Plätze werden Punkte verteilt (analog Gruppe A-Klassement). Die Punkte aus dem Scratch und aus der Gruppenwertung werden kumuliert. Bei der Schweizer Rallyemeisterschaft handelt es sich zudem um eine reine Fahrerwertung (Autowechsel oder verschiedene Beifahrer sind während einer Saison möglich)

Beispielsweise werden bei folgendem Gesamtklassement...
1. Dubler/Antonino Lancia Integrale Gr A
2. Burri/Hofmann Renault Clio Maxi Gr A
3. Henny/Brand Peugeot 306 S16 Gr A
4. Carron/Monnet Ford Escort Cosw. Gr N
5. Gillet/Erbeia Renault Clio Will. Gr A
6. Darbellay/Roduit Opel Astra Gsi 16V Gr A
7. Sieber/Zweifel Renault Clio Will. Gr N
8. Bigler/Christinat Mazda 323 GT-R Gr N
9. Pingitore/Melis Renault Clio Will. Gr N
10.Peter/Juple Peugeot 306 S16 Gr N
usw.

...die 4-WD-Fahrzeuge und Kit-Cars ignoriert und für die SM-Punkte folgendes Klassement verwendet...
1. Henny/Brand Peugeot 306 S16 Gr A
2. Gillet/Erbeia Renault Clio Will. Gr A
3. Darbellay/Roduit Opel Astra GSi 16V Gr A
4. Sieber/Zweifel Renault Clio Will. Gr N
5. Pingitore/Melis Renault Clio Will. Gr N
6. Peter/Juple Peugeot 306 S16 Gr N
usw.

...und somit folgende Punkte verteilt...
Henny 35 (25 Scratch+10 Gruppe A)
Gillet 29 (20+9 A)
Darbellay 25 (17+8 A)
Sieber 24 (14+10 N)
Pingitore 21 (12+9 N)
Peter 18 (10+8 N
) usw.

"Höhenflug" für Fahrer mit kleinerem Budget ? 1996 wird das Sammeln von Meisterschaftspunkten in der 2-Liter-Klasse dank neuem Reglement auf jeden Fall wesentlich einfacher sein.

"1600ccm-Pokal" Für Autos bis 1600ccm wird ab 1996 eine zusätzliche, separate Wertung ausgeschrieben. Die Punkteverteilung in diesem "1600ccm-Pokal" funktioniert wie bei der Vergabe der SM-Punkte.

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